Interview

Sprache
und Motivation zählen

Daniel Klein ist Leiter der Abteilung Human Resources International bei der Victor´s Group. Das familiengeführte Dienstleistungsunternehmen betreibt über 120 Seniorenresidenzen bundesweit. Zusammen mit zehn Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern verantwortet er u.a. die Rekrutierung internationaler Pflegekräfte. Wie er den Prozess gestaltet und worauf er bei Bewerbern achtet. 
 

Daniel Klein

„Entscheidend ist die Sprache. Sie ist die Grundlage, dass alles Weitere funktionieren kann. “

Daniel Klein, Leiter Abteilung Human Resources International, Victor´s Group

Seit wann rekrutieren Sie Pflegekräfte im Ausland?
Wir sind seit 2016 an internationalen Bewerbermärkten aktiv. Anfangs über persönliche Netzwerke, dann haben wir unser Recruiting immer stärker professionalisiert und externe Kooperationspartner hinzugezogen. Wir rekrutieren auf diesem Weg sowohl Pflegekräfte, die wir direkt als anerkannte Fachkräfte anstellen, als auch Fachkräfte in Anerkennung. Hinzu kommen Auszubildende. Über alle Qualifikationsniveaus hinweg sind es 250 – 350 Personen im Jahr, die tatsächlich anreisen.
Wie läuft Ihr Rekrutierungsprozess üblicherweise?

Zunächst legen wir fest, wie viele Pflegekräfte und mit welcher Qualifikation wir benötigen. Dann macht sich DEKRA Expert Migration in den Regionen, in denen sie tätig sind, auf die Suche. Dienstleister sind in den betreffenden Ländern einfach nah an den Bewerbermärkten, das kann man als Arbeitgeber allein kaum so bewerkstelligen.

Sobald eine gewisse Anzahl an Kandidaten zusammengekommen ist, steigen wir in den Prozess ein. In einer Recruiting-Veranstaltung informieren wir – entweder vor Ort oder online – über die Victor`s Group und die Rahmenbedingungen einer Anstellung. Alle interessierten Pflegekräfte erhalten im Anschluss einen Fragebogen. Darin geht es vor allem um Punkte, die Einfluss auf den späteren Einsatzort haben. Wenn jemand beispielsweise gerne auf Berge steigt, eignet sich ein Standort in Mecklenburg-Vorpommern nicht.

Im nächsten Schritt führen wir das Interview, in dem wir besonders auf die Motivation und die Sprachkenntnisse der Pflegekräfte achten. Es wird i.d.R. in deutscher Sprache geführt. Funktioniert das nur schlecht, stellen wir manche Bewerber für ein späteres Gespräch zurück. Denn es hilft ihnen nicht, wenn wir das Interview extrem nachsichtig führen und die Menschen dann hier nicht zurechtkommen.

Wie integrieren Sie die neuen Pflegekräfte?

Zunächst besuchen alle einen vierwöchigen Onboarding-Kurs. Er beinhaltet noch einmal einen Intensivsprachkurs und eine Einführung in das deutsche Gesundheitswesen.  Ein inhaltlicher Schwerpunkt liegt auf der Grundpflege und der Dokumentation – Punkte, die für internationale Fachkräfte erfahrungsgemäß schwierig sind.  

Danach beginnt die Einarbeitung am jeweiligen Standort. In der Regel sind die Führungskräfte vor Ort verantwortlich, gemeinsam mit Praxisanleitern oder erfahrenen Fachkräften. Wir führen gerade auch Mentoren ein; an einzelnen Standorten gibt es sie schon. Generell ist die Rollenverteilung dynamisch, da die jeweiligen Rahmenbedingungen unterschiedlich sind. Gibt es in einer Einrichtung vorwiegend inländische Mitarbeitende, dann stellen wir uns im Onboarding anders auf, als wenn eine Pflegekraft in ein Haus kommt, wo schon viele Landsleute arbeiten. Wir gestalten den Ablauf äußerst individualisiert. Das ist aufwendiger als ein standardisierter Prozess, aber so werden wir den internationalen Kollegen besser gerecht.

Wenig später oder parallel zur Einarbeitung fängt die Vorbereitung auf die Fachkenntnisprüfung an, sofern die neuen Kollegen noch nicht vollanerkannt sind. Die Kurse organisiert ebenfalls die DEKRA Expert Migration. In dieser Zeit arbeiten die internationalen Mitarbeitenden als Pflegehelfer. Die Vorbereitung dauert mehrere Monate, danach bestehen die Pflegekräfte die Prüfung in der Regel auch.

Welches sind die wichtigsten Faktoren für eine erfolgreiche Integration?
Entscheidend ist die Sprache. Sie ist die Grundlage, dass alles Weitere funktionieren kann. Und das Zweite ist die persönliche Motivation. Ich habe lieber jemanden, der motiviert und engagiert in seinem Job ist und der weniger Fachkenntnisse aufweist, als umgekehrt. Denn daraus resultieren die längeren, zufriedeneren und reibungsloseren Beschäftigungsverhältnisse.
Was sind die Gründe, wenn es mal scheitert?
In den meisten Fällen verlassen die Mitarbeitenden uns und nicht andersrum. Meiner Einschätzung nach ist Geld der häufigste Grund. Meistens kommen die Pflegekräfte aus finanziellen Motiven nach Deutschland und oft sind weitere Personen von dem Einkommen abhängig. Und da sind wir als Träger der Altenhilfe oftmals nicht konkurrenzfähig mit den Löhnen in Krankenhäusern. Wir versuchen, das natürlich zu kompensieren, z. B. durch unsere Arbeitseinteilung oder Willkommenskultur.
Was raten Sie Arbeitgebern ohne Erfahrung mit internationaler Rekrutierung?
Wenn es jemand aus unserer Branche wäre: Achtet auf die Nachhaltigkeit des Ganzen. Es geht nicht nur darum, die Pflegekräfte zu rekrutieren oder die Anerkennung zu organisieren. Die eigentliche Arbeit resultiert bei uns Trägern der Altenhilfe aus der Tatsache, dass wir eben nicht diese finanziellen Möglichkeiten bieten können. Deshalb müssen sich Arbeitgeber schon am Anfang überlegen, wie sie das kompensieren können. Ich empfehle, zu definieren, welche positiven Anreize es gibt, aber auch welche vertraglichen Möglichkeiten, um die Pflegekräfte langfristig zu binden. Voraussetzung ist eine transparente Kommunikation von Beginn an. Außerdem ist es sehr wichtig, die Kollegen in den Residenzen einzubinden. Denn wenn sie unvorbereitet ins kalte Wasser geworfen werden, dann führt das zur Überforderung.