Ab welcher Größe lohnt sich internationales Recruiting?
Arbeitgeber sollten schon eine gewisse Größe haben, um ausreichend interne Ressourcen bereitstellen zu können. Es ist ja nicht damit getan, die Fachkräfte zu rekrutieren. Das Onboarding spielt eine entscheidende Rolle, ob sie bleiben. Arbeitgeber müssen ihre Integration sorgfältig vorbereiten, Verantwortliche benennen und die Fachkräfte bei alltäglichen Dingen unterstützen. Im Klinikbereich fangen Häuser meistens ab einer Größe von 200 Betten an, über die internationale Rekrutierung nachzudenken. Bei gewerblich-technischen Berufen, wie Berufskraftfahrer:in oder Elektroniker:in und bei IT-Fachkräften sind es mittelständische Unternehmen ab einer Größe von ca. 250 Beschäftigten.
Welches ist die ideale Anzahl?
Das hängt vom Bedarf ab. Wir empfehlen aber, mindestens fünf Fachkräfte aus einem Land zu rekrutieren. Aus zwei Gründen: Die Menschen entscheiden sich, ihre Familie und ihr soziales Umfeld zu verlassen, was enorme psychisch-mentale Stärke erfordert. Wenn sie diesen Schritt zusammen mit Landsleuten machen, die sie schon vom Sprachkurs kennen, hilft das sehr. Ich gehe sogar so weit, zu sagen, es ist mit ein Erfolgsgarant fürs Ankommen.
Wann lernen sich Arbeitgeber und Fachkräfte kennen?
Alle Bewerbenden durchlaufen bei uns ein mehrstufiges Assessment und ein Profiling. Anhand der Anforderungen der Arbeitgeber wählen wir Fachkräfte mit den passenden Profilen aus. In einer Informationsveranstaltung stellen sich die Arbeitgeber zunächst vor. Die Interviews finden dann vor Ort oder online statt. Für manche Recruiter sind die Gespräche eine Umstellung. Das fängt bei der Sprache an, die zum Beispiel Pflegekräfte zu diesem Zeitpunkt meistens auf Niveau B1, aber noch nicht routiniert, beherrschen. Die Gesprächspartner müssen offen und bereit sein und sich wertschätzend auf das Potenzial der Menschen einzulassen.
Wie lange dauert es, bis die Fachkräfte in Deutschland ankommen?
Das ist eine berechtigte, aber schwierige Frage. Selbst bei optimalen Prozessen und langjähriger Erfahrung gibt es Unsicherheitsfaktoren, die sich nicht beeinflussen lassen. Das fängt beim Spracherwerb an: Manche lernen schneller, manche langsamer. Außerdem hängt es vom gewünschten Sprachniveau ab, mit dem die Fachkräfte einreisen sollen. Auch von der Organisation der erforderlichen Dokumente bis zur Bewilligung des Visums gibt es Unwägbarkeiten. Der Wunsch nach Planbarkeit seitens der Arbeitgeber ist verständlich und natürlich gibt es einen zeitlichen Rahmen von etwa 9 bis 18 Monaten, je nach Beruf und Dienstleistungsvertrag. Da wir mit Kunden in der Regel langfristig zusammenarbeiten, etabliert sich eine gewisse „Pipeline“ an Kandidaten, die sich dann in mehr oder weniger regelmäßigen Abständen einpendelt.
Sind die Arbeitgeber im Onboarding professionell aufgestellt?
Von mir aus könnten manche noch einen Zahn zulegen. In den letzten zehn Jahren hat sich unglaublich viel getan, aber ich bin immer wieder überrascht, dass im Gesundheits- und Pflegebereich noch nicht jeder Träger ein Integrationskonzept hat. Es gibt zwar fachliche Einarbeitungskonzepte, aber Integration ist ja viel mehr. Es bedeutet auch, Mitarbeitende dabei zu unterstützen, im Team, im Haus und im sozialen Umfeld anzukommen. Und da ist durchaus noch Luft nach oben. Auch das Preboarding wird oft unterschätzt. Es vergeht ja einige Zeit vom Vorstellungsgespräch bis zur Einreise ins Land. In dieser kritischen Phase halten wir den Kontakt zu den Fachkräften. Mit einem Preboarding-Konzept, das auch Maßnahmen wie Online-Meetings oder Newsletter beinhaltet, stärken Arbeitgeber die Bindung an die zukünftigen Mitarbeitenden.
Was ist Ihnen beim Recruiting im Ausland wichtig?
Fairness. Das bedeutet für mich, maximal transparent zu sein. Fachkräfte müssen wissen, was sie erwartet, um sich mit einem guten Gefühl auf ein Arbeitsplatzangebot einlassen zu können. Dafür benötigen sie Informationen, auch über die Hard facts hinaus. Bewerbende interessieren sich zum Beispiel dafür, welche Möglichkeiten der Weiterentwicklung es gibt oder wie sie am Anfang unterstützt werden. Eine faire Anwerbung ist für mich immer verbunden mit maximaler Transparenz zwischen allen Beteiligten.